Die Europäische Union plant den Rechtsgrund „Berechtigtes Interesse“, bei der Speicherung personenbezogener Daten zu kippen. Wer auf seiner Website Daten sammelt, kann sich dann nicht mehr auf ein berechtigtes Interesse berufen, sofern die zu verabschiedende E-Privacy-Richtlinie dem entspricht, was der aktuelle Entwurf der Europäischen Union vorsieht.
Der Erwägungsgrund „Berechtigtes Interesse“ war bislang der Freifahrschein für Datenschutzmuffel. Viele Website-Betreiber scheuen die durch Cookie-Consent-Banners ausgelöste Absprungquote und speichern personenbezogene Daten, ohne den Nutzer darüber zu informieren. „Im Zweifel begründen wir das mit einem ,Berechtigten Interesse’“, lautete die gängige Argumentation in entsprechenden Projektkreisen.
Damit könnte schon bald Schluss sein, wenn der Entwurf „Draft on ePrivacy“ so umgesetzt wird, wie es die Vorlage vorsieht. Noch in der Vorgängerversion war in Art. 8 als Plausibilitätsgrund für die Speicherung von personenbezogenen Daten das „Berechtigte Interesse“ des Website-Betreibers verankert. Dieser Passus ist nun verschwunden. Anstelle dessen sind in Art. 6 eine Reihe zulässiger Rechtfertigungsgründe aufgeführt, die insbes. den Aspekt Vertragserfüllung erweitern (z.B. das User-Tracking eines Streaming-Anbieters). Es bleibt weiter erlaubt, ein Cookie zu setzen, wenn es für die ordnungsgemäße Funktion der Website oder des Online-Shops erforderlich ist (z.B. Warenkorb oder Payment). Und natürlich darf das User-Tracking eingesetzt werden, wenn der Nutzer explizit zustimmt.
Das Tracking zum Erstellen von Statistiken und Analysen ist nur erlaubt, wenn sichergestellt wird, dass der Nutzer anonymisiert wurde. Der Standort des Nutzers darf nur registriert werden, um Geocaching zu betreiben. Er darf aber nicht verwendet werden, um ein Persönlichkeitsprofil zu erstellen.
Alleine das „berechtigte Interesse“, möglichst viele, detaillierte Nutzerdaten im eigenen CRM-System sammeln zu wollen, reicht in Zukunft nicht mehr aus.
In Deutschland werden einige Website-Betreiber ihre Strategie im kommenden Jahr grundlegend überarbeiten müssen. Schon geraume Zeit ist Deutschland nicht mehr Datenschutzvorreiter in Europa. In Frankreich gilt bereits jetzt, dass die Möglichkeit des Widerspruchs zum Tracking genauso groß angezeigt werden muss, wie die zur Zustimmung. Dasselbe gilt für die Laufzeit der Einwilligung (i.d.R. ein halbes Jahr), welche analog auch für den Widerspruch gelten soll. Ein Website-Betreiber darf nach einer Ablehnung folglich ein halbes Jahr lang nicht mehr nach einer Einwilligung zum Tracking fragen.
Die Frage ist nur: Wie und wo wird dieses Datum ohne Cookie gespeichert?
Das Gesetzgebungsverfahren beginnt Anfang 2021 und könnte im Sommer abgeschlossen werden. Bis zum endgültigen Inkrafttreten vergeht zumeist nochmals ein halbes Jahr. Die E-Privacy-Richtlinie wird also frühestens Anfang 2022 in Kraft treten.
Quelle: Meedia, Berlin
Link: https://meedia.de/2020/10/27/e-privacy-das-aus-fuer-berechtigtes-interesse/
27.10.2020
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